An die Damen und Herren deutschen Mitglieder des Auswärtigen Ausschusses im Europäischen Parlament, dem Committee on International Trade und der Israel Delegation (Originalschreiben hier)
Sehr geehrte Damen und Herren,
am 15. Juli wird im Rat für Auswärtige Angelegenheiten erneut darüber diskutiert, ob der Artikel 2 des Assoziierungsabkommens (Menschenrechtsklausel) durch Israel eingehalten wird. Bei dieser Gelegenheit erwarten wir, dass sich Deutschland entschlossen für die Aussetzung des Assoziierungsabkommens zwischen der Europäischen Union und Israel einschließlich der Aussetzung der gesamten wirtschaftlichen, handelspolitischen und institutionellen Zusammenarbeit einsetzt. Wir sind der Meinung, dass die Bundesregierung nicht länger Maßnahmen der EU gegen Israel blockiert, sondern im Gegenteil aktiv Maßnahmen zur Einhaltung des Völkerrechts ergreifen muss, einschließlich der Verhängung eines beidseitigen Waffenembargos gegen Israel und der Verhängung von Sanktionen gegen israelische Institutionen und Beamte.
Der Krieg des Staates Israel gegen die Palästinenser im Gazastreifen, die organisierte Hungersnot, die gezielte Ermordung von Zivilisten, die Ermordung zahlreicher Journalisten, Ärzte und anderer medizinischer Fachkräfte, Lehrer und Studenten, die Zerstörung aller lebenswichtigen Infrastrukturen und die Massaker, die mit den so genannten Lebensmittelverteilungen unter der Kontrolle Israels und der Vereinigten Staaten einhergehen, sind eine Verhöhnung unserer universellen Menschlichkeit.
Gleichzeitig sind die gegen die palästinensische Bevölkerung gerichteten Vertreibungen in vielen Gebieten des Westjordanlandes, darunter Masafer Yatta, die mörderischen Angriffe von Siedlern, die von der Armee unterstützt werden, die Zwangsumsiedlung der Bevölkerung (mehr als 40.000 Menschen in Dschenin und Tulkarm), die Zerstörung palästinensischer Häuser, insbesondere in Ostjerusalem, Beweis für die israelische Politik der völkerrechtswidrigen Annektierung, die darauf abzielt das palästinensische Volk seines Landes, seiner Häuser und seiner Existenzmittel zu berauben.
Die Ergebnisse des EU-Evaluationsberichts über die Nichteinhaltung von Artikel 2 des Assoziierungsabkommens durch Israel wurden der Presse zugespielt. Der Bericht kommt zu dem eindeutigen Ergebnis: Israel verstößt massiv gegen das Völkerrecht. Darauf kann es nur eine Antwort geben: Die EU muss das Assoziierungsabkommen mit Israel aussetzen.
Die Ergebnisse der letzten Sitzung des Rates für Auswärtige Angelegenheiten vom 23. Juni, auf dem keine Maßnahmen beschlossen wurden, waren mehr als enttäuschend. Dabei ist Israel ist auf keinen der Kritikpunkte eingegangen, die die EU auf der Tagung des Assoziationsrates EU-Israel im Februar angemahnt hatte (Waffenstillstand, Achtung des Völkerrechts, Schutz der Zivilbevölkerung, humanitärer Zugang, Stopp des Ausbaus der Siedlungen im Westjordanland und in Ostjerusalem usw.). Ganz im Gegenteil: Israel hat seitdem genau das Gegenteil von dem getan, was die Europäische Union gefordert hat (einschließlich der Verhängung einer totalen Blockade am 2. März 2025 und des einseitigen Bruchs des Waffenstillstands am 18. März 2025). Die wichtigste Lehre für den EU-Israel-Assoziierungsrat kann daher nur sein: Nur konkrete Maßnahmen wie die Aussetzung des Assoziationsabkommens können Israel dazu bringen, das Völkerrecht zu achten.
Die nächste Sitzung des EU-Rates für Auswärtige Angelegenheiten wird am 15. Juli stattfinden. Wir fordern die Bundesregierung auf, die Initiative derjenigen EU-Mitgliedsländer, die die Aussetzung des Assoziierungsabkommens fordern, zu unterstützen. Deutschland ist dafür verantwortlich, seinen internationalen Verpflichtungen aus der Völkermordkonvention sowie den IGH-Gutachten von 2004 (Gutachten zum Bau der Mauer auf palästinensischem Gebiet) und 2024 (Gutachten zu den rechtlichen Folgen von Israels Besatzungspolitik) nachzukommen, indem es jede Form der Beihilfe zu Israels illegaler Besetzung und möglichen Verdacht auf Völkermord einstellt.
Die Ablehnung der von Rechtsprinzipien durch den Staat Israel stellt die Grundlagen einer auf Recht basierenden internationalen Ordnung in Frage. Dies ist das Ergebnis jahrzehntelanger Straffreiheit für den Staat Israel. Es ist an der Zeit, dass dieser Zustand beendet wird. Sie als Politikerinnen und Politiker stehen in der Pflicht, diesen Rechtsrahmen eindeutig zu bekräftigen, und zwar nicht nur zum Schutz der zivilen palästinensischen Bevölkerung, sondern auch zum Schutz der internationalen Rechtsordnung und damit auch von uns, Ihren eigenen Bürgern. Die Geschichte wird über die Staaten urteilen, über diejenigen, die sich durch ihr Schweigen und ihre Untätigkeit an dem Völkermord und anderen israelischen Verstößen gegen das Völkerrecht und die Menschenrechte mitschuldig gemacht haben, sowie über diejenigen, die den Mut hatten zu handeln, um diesem Rechtsmissbrauch ein Ende zu setzen.
Mit freundlichen Grüßen
Nazih Musharbash
Präsident
Deutsch-Palästinensische Gesellschaft e.V.